Die rätselhaften Aarauer Rathaussäle
Hölzerner Täfer, geschnitzte Einhörner und mystische Wasserwesen umarmt von Blumengirlanden und Blättergeflechten, eine Supraporte mit dem Aarauer Adler abgebildet und dem Satz «Als man zalt von der Geburt Cristi 1520», Deckenmedaillons, die scheinbar genau beobachten, was unter ihnen geschieht. Würde sich der Aarauer Stadtrat momentan nicht nur digital besprechen, würde er sich in einem Raum treffen, auf den genau diese Beschreibung zutrifft: der Stadtratssaal im 2. Stock des Aarauer Rathauses. Aber auch im 1. Stock befindet sich ein Saal in genau diesem spätgotischen Stil.
Broschüre veröffentlicht
Da diese Räume für die Öffentlichkeit kaum zugänglich sind, widmet sich nun eine Broschüre der Ortsbürgergemeinde unter dem Titel «Die spätgotischen Säle des Aarauer Rathauses von 1519/1520» diesen beiden 500 Jahre alten «Schatzkammern». Auf 24 Seiten wurde all das Wissen über die beiden Säle gesammelt, das bis dato bekannt ist. «So umfassend wurde noch nie über die beiden Säle berichtet», sagt Stadtarchivar Raoul Richner, der neben Kunsthistorikerin Dominique Sigg für die Broschüre recherchiert hat. «Leider sind die Dokumentationen über die Säle nicht sehr vollständig, aber wir können uns ein grobes Bild machen, wie die Räume während all dieser Zeit verändert wurden.»
Fehlende Dokumentationen
Das Problem: Es gibt zwar Dokumente, die belegen, dass umgebaut, renoviert oder verändert wurde, aber was genau gemacht wurde, das fehlt in den Dokumenten. «Es wurde abgesägt, neu geschnitten, angemalt, wieder abgelaugt, dann zog die Hälfte des einen Saales ins Stadtmuseum in die sogenannte Rothpletzstube um und wurde dort als Wohnraum gebraucht. Medaillons verschwanden. Dann gab es wieder massive Renovationen im Rathaus, wobei zu den Sälen keine Sorge getragen wurde. Wir haben genau darüber auf 24 Seiten eine Übersicht gemacht», so Raoul Richner.
Indizien statt Beweise
Zwar konnten einige Rätsel gelöst werden, das grösste Rätsel, nämlich zum Schöpfer der Schnitzereien, konnten keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden. «Aufgrund von Indizien haben wir lediglich eine Idee, wer der Urheber sein könnte», sagt Raoul Richner. Diese Indizien weisen auf Jörg Wild aus Luzern hin. Raoul Richner hat die Hoffnung aber noch nicht ganz aufgegeben, dass hier noch Licht ins Dunkle gebracht werden kann. «Vielleicht taucht irgendwo in irgendeinem Archiv irgendwann ein Zettelchen auf, das den Schöpfer der Schnitzereien doch noch aufdeckt.»
Interessierte können die Broschüre beim Stadtbüro, beim Stadtmuseum und bei aarau info gratis abholen.