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Mirjam Kosch: «Demokratie bedeutet zusammen die Zukunft gestalten»

Mit 119 von 133 möglichen Stimmen wurde Mirjam Kosch (Grüne) zur neuen Grossratspräsidentin des Kantons Aargau gewählt. Die 38-Jährige aus Aarau folgt auf Lukas Pfisterer (FDP). Im Interview mit dem «Landanzeiger» spricht Mirjam Kosch über ihr neues Amt, den Klimawandel und ihre Ideen, wie man junge Menschen für die Politik begeistern kann.

Mirjam Kosch, Sie sind mit einem sehr guten Resultat zur neuen Grossratspräsidentin des Kantons Aargau gewählt worden. Was bedeutet Ihnen diese Wahl?

Mirjam Kosch: Besonders freue ich mich darauf, ein Jahr lang noch mehr zur lebendigen Demokratie im Aargau beizutragen.

Wie bereiteten Sie sich auf dieses Amt vor?

Mirjam Kosch: Bevor ich zur Grossratspräsidentin gewählt wurde, konnte ich mich zwei Jahre lang als Vizepräsidentin auf das Amt vorbereiteten. Das ist vom Gesetz so vorgegeben. Als Vizepräsidentin habe ich an den Sitzungen der Ratsleitung teilgenommen und Elisabeth Burgener (Grossratspräsidentin 2022) und Lukas Pfisterer (Grossratspräsident 2023) unterstützt – und dabei viel von beiden gelernt. Nun bin ich gut gerüstet für das Amt.

Habe Sie ein spezielles Motto oder ein Leitmotiv für Ihr Präsidialjahr?

Mirjam Kosch: Ich habe mein Jahr unter das Motto «zäme» gestellt. Denn für mich bedeutet Demokratie, dass wir zusammen – also zäme – die Zukunft gestalten. Für die Arbeit im Grossen Rat ist mir wichtig, dass wir uns auch neben den Ratssitzungen parteiübergreifend austauschen. Gerade mit unseren unterschiedlichen politischen Meinungen können wir so den Kanton zäme besser weiterbringen. Und natürlich heisst zäme auch, dass wir als Grosser Rat zusammen mit den Aargauerinnen und Aargauern, zusammen mit der Wissenschaft, zusammen mit der Wirtschaft und zusammen mit den Kulturinstitutionen die Herausforderungen der Zukunft meistern und zusammen den Aargau gestalten.

Gibt es Dinge, die Sie von Ihrem Vorgänger übernehmen werden?

Mirjam Kosch: Lukas Pfisterer hat die Sitzungen immer sehr klar geleitet. Das möchte ich weiterführen.

Seit zwei Jahren sind Sie nun im Präsidium des Grossen Rates und können nicht mehr mitpolitisieren? Vermissen Sie es nicht?

Mirjam Kosch: Klar, ab und zu vermisse ich es, dass ich zu gewissen Themen nichts sagen darf. Aber die Arbeit als Grossrats(vize)präsidentin ist spannend und herausfordernd. Ich lerne viel über politische Prozesse und unsere Institutionen. Und ich darf so viele Personen und Vereine kennen lernen und den Kanton an tollen Anlässen repräsentieren. Dafür nehme ich gerne in Kauf, dass ich nicht an vorderster Front mitpolitisieren darf.

Sie sind in Rüschlikon ZH aufgewachsen und arbeiten in Zürich. Was führte Sie im Jahr 2012 in den Aargau?

Mirjam Kosch: Mein Partner, ein begeisterter Aarauer.

Sie haben sich schon sehr früh für Naturwissenschaften interessiert und eingesetzt. Wie kam das?

Mirjam Kosch: Physik, Biologie und Chemie haben mich schon immer begeistert und ich bin breit interessiert. Daher hat für mich das Studium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich hervorragend gepasst, denn ich konnte auch noch vieles zu Wirtschaft, Recht und Politik lernen. Daher ist mir schon lange klar, dass es für Umweltschutz eben nicht nur die Naturwissenschaften braucht, sondern dass auch die Menschen und die Firmen miteinbezogen werden müssen.

Macht der Aargau genug fürs Klima?

Mirjam Kosch: Die Welt insgesamt macht zu wenig, um die Klimaerwärmung zu stoppen. Die Schweiz und auch der Kanton Aargau sind hier leider keine Ausnahme.

Sie sind auch im Wissenschaftlichen Klimabeirat der Luxemburgischen Regierung. Wie kam es dazu?

Mirjam Kosch: Die Luxemburgische Regierung wollte sich bei ihrer Klimapolitik beraten lassen. Dazu hat sie ein interdisziplinäres Team aus nationalen und internationalen Wissenschaftlerinnen eingesetzt. Aufgrund meiner Forschungsarbeiten am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung wurde ich dafür angefragt und habe die Aufgabe sehr gerne übernommen. Die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik ist mir ein Anliegen. Zusammen könnten beide mehr erreichen. Meiner Erfahrung nach gibt es jedoch noch sehr viel Verbesserungspotenzial.

Welche politischen Ziele verfolgen Sie noch?

Mirjam Kosch: Dieses Jahr konzentriere ich mich auf die Arbeit als Grossratspräsidentin. Mit Blick auf nächstes Jahr freue ich mich darauf, wieder aktiv im Grossen Rat zu politisieren.

Ist der Nationalrat für Sie kein Thema? Die Vergangenheit zeigt, dass wer seine Arbeit als Grossratspräsidentin gut macht, gute Chancen hat, bei den nächsten Wahlen, den Sprung in den Nationalrat zu schaffen.

Mirjam Kosch: Nationalratswahlen sind erst wieder in drei Jahren. So lange im Voraus plane ich derzeit nicht.

Was können Sie in Ihrem Präsidialjahr tun, damit sich wieder mehr junge Leute für die Politik, aber auch für Wahlen und Abstimmungen interessieren?

Mirjam Kosch: Ich habe als Jugendliche die Jugendsession in Bern besucht. Das waren tolle Tage mit vielen politisch interessierten jungen Menschen und spannenden Diskussionen. Solche Angebote sind hilfreich. Ich selber würde dieses Jahr gerne ein paar Schulen besuchen – im Rahmen der Grossratswahlen dieses Jahr wird sich dazu hoffentlich die Gelegenheit ergeben. Ausserdem sind Schulklassen jederzeit willkommen, uns im Grossen Rat zu besuchen.

Interview: Raphael Nadler

Persönlich

Mirjam Kosch
Partei: Grüne
Alter: 38
Aufgewachsen in: Rüschlikon ZH
Lebt in Aarau seit: 2012
Zivilstand: ledig, lebt mit ihrem Partner zusammen
Erlernter Beruf: MSc Umweltnaturwissenschaften ETH, Dr. sc. ETH in Energieökonomie
Heutiger Beruf: Klimaökonomin beim Kanton Zürich
Politische Karriere: Vorstand Junge Grüne Zürich, Präsidentin Grüne Aarau, Vorstand Grüne Aargau, Grossrätin (siehe auch CV unter mirjam-kosch.ch)
Das mag sie: Gummibärchen
Das mag sie nicht: Dill

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