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Markus Gabriel: «Habe mir vorgenommen, alle Gemeinden im Kanton zu besuchen»

Mit 130 von 137 möglichen Stimmen wurde Markus Gabriel (SVP) aus Uerkheim zum neuen Grossratspräsidenten des Kantons Aargau gewählt. Der 59-Jährige tritt die Nachfolge von Mirjam Kosch (Grüne) an. Im Gespräch mit dem «Landanzeiger» spricht er über seine Vorbereitungen auf das Amt, seine Ziele und seinen besonderen Plan, im Präsidialjahr alle knapp 200 Aargauer Gemeinden zu besuchen.

Markus Gabriel, Sie sind mit einem sehr guten Resultat zum neuen Grossratspräsidenten des Kantons Aargau gewählt worden. Was bedeutet Ihnen diese Wahl?

Markus Gabriel: Herzlichen Dank an alle, die mich gewählt haben. Ich betrachte es als Bestätigung für meine bisher geleistete Arbeit. Ich bemühe mich um Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg und bin stolz dieses Amt ausüben zu dürfen. Es freut mich, den Kanton Aargau besser kennen zu lernen und dass mich der Kanton Aargau etwas besser kennen lernt.

Wie haben Sie sich auf dieses Amt vorbereitet?

$Das kann man eigentlich nicht. Ich bin seit 32 Jahren in der Politik engagiert und sollte langsam wissen wie es läuft. In den beiden Jahren als Vizepräsident konnte ich viel von meinen beiden Vorgängern lernen. Vorgängig habe ich natürlich mit meiner Familie und meinem Arbeitgeber Rücksprache genommen, und darf auf ihre Unterstützung zählen.

Habe Sie ein spezielles Motto oder ein Leitmotiv für Ihr Präsidialjahr?

Mein Motto lautet «verbinden». Verbinden kann man eine Wunde im Spital, beim Bauen kann man Materialien und Stile miteinander verbinden. Strassen und Hochspannungsleitungen verbinden und vieles mehr. Vor allem aber möchte ich im Grossen Rat verbindend wirken, sei dies politisch von links bis rechts oder geographisch in unseren schönen Regionen.

Ihre Vorgängerin hat im letzten Jahr rund 140 Anlässe besucht und über 90 Reden gehalten. Dazukommen noch die rund 20 Grossratssitzungen und weitere Veranstaltungen. Wie bringt man das alles unter einen Hut?

Der Tag hat 24 Stunden und zur Not kann man auch über die Mittagspause noch etwas erledigen. Das Ganze braucht aber viel Verständnis von meinem Arbeitgeber und meiner Familie. Das wichtigste aber ist, dass man Freude an so einem Amt hat, dann geht es viel leichter. Ich war schon immer ein aktiver Mensch und liebe es, wenn etwas läuft.

Mit wie viel Prozent Arbeitsaufwand rechnen Sie im Präsidialjahr?

Ich rechne mit einem Arbeitsaufwand von 40 bis 50 Prozent. Gemäss einer Studie, welche wir vor einigen Jahren im Gemeinderat Uerkheim gemacht haben, war mein damaliges Amt als Gemeindeammann auch bereits ein 40%-Pensum. Ich weiss also in etwa, was auf mich zukommt.

Worauf freuen sie sich am meisten in diesem Jahr?

Ich freue mich darauf, die Regionen und Leute im Aargau noch besser kennen zu lernen. Dazu habe ich mir vorgenommen, die knapp zweihundert Gemeinden im Aargau nächstes Jahr zu besuchen. Einige Aufenthalte werden etwas länger dauern, bei manchen wird es vielleicht nur eine kurze Durchfahrt.

Welche Erfahrungen aus Ihrer Zeit als Gemeindeammann von Uerkheim werden Sie in Ihre neue Rolle einbringen?

Da kommt wieder mein Motto „Verbinden“ zum tragen. Man muss zuhören, miteinander reden und gemeinsam Lösungen finden. Ich habe erlebt, dass Lösungen die gemeinsam erarbeitet werden, dauerhafter und wertvoller sind. Genau das prägt unser politisches System in den Gemeinden, im Kanton und der Schweiz.

Gibt es Dinge, die Sie von Ihrer Vorgängerin übernehmen werden?

Ich hatte mit Lukas Pfisterer und Mirjam Kosch zwei sehr gute, unterschiedliche Vorgänger. Wir haben uns im Team trotz unterschiedlicher Meinungen immer sehr gut verstanden. Eigentlich möchte ich gar nicht viel ändern, sondern in ihrem Stil weitermachen. Wichtig ist eine gute Vorbereitung, Aufmerksamkeit während den Ratssitzungen, gute Unterstützung durch das Ratssekretariat und die beiden Stellvertreter, viel Freude am Amt und auch etwas Humor und Gelassenheit.

Seit zwei Jahren sind Sie nun im Präsidium des Grossen Rates und können nicht mehr mitpolitisieren? Vermissen Sie es nicht?

Doch. Man sollte sich als Vizepräsident oder Präsident zurückhalten, da wir von allen Fraktionen zur Wahl vorgeschlagen sind. Deshalb hält man sich bei politischen Äusserungen zurück. Da ich aber als Arbeitsgruppenleiter und Kommissionsmitglied UBV zwei sehr gute Nachfolger gefunden habe, bin ich parteiintern immer noch auf dem Laufenden.

Sie sind Vorstandsmitglied des Spitalvereins Zofingen. Was ist Ihre Meinung zur Privatisierung des Spitals Zofingen?

Dies ist genauso eine politische Äusserung. Als Spitalverein setzen wir uns für eine gute Grundversorgung in der Region Zofingen ein. Ich hoffe, dass die neuen Eigentümer Synergien nutzen können und das Spital Zofingen gestärkt wird. Das Spital Zofingen arbeitet aus unserer Sicht heute betrieblich nicht defizitär. Mit der notwendigen Finanzierung haben heute fast alle Spitäler zu kämpfen, so musste das Spital Aarau im Jahr 2022 auch mit 240 Millionen unterstützt werden. Persönlich bin ich der Meinung, dass der damalige Verkauf an das Spital Aarau falsch war.

Sie arbeiten als Chemielaborant bei der Sondermülldeponie in Kölliken. Was sind dort Ihre täglichen Arbeiten und wie lange muss diese Deponie noch überwacht und bearbeitet werden?

Ich analysiere in erster Linie immer noch das behandelte Sickerwasser aus der Deponie. Dies gibt uns Rückschlüsse, wie die Verschmutzung abnimmt und wie lange das Sickerwasser noch behandelt werden muss. Das Areal und die Gebäude wurden per Ende 2029 an die Gemeinde Kölliken und die Pro Natura Aargau verkauft. Dies ist auch unser aktueller Zeithorizont, was mit meiner Pensionierung übrigens fast perfekt aufgeht.

Was sind Ihre langfristigen politischen Ziele über Ihr Präsidialjahr im Grossen Rat hinaus?

Meine politischen Ziele habe ich alle erreicht oder übertroffen, obwohl ich mir nie solche Ziele gesetzt habe. Ich bin der Typ “du chönntsch doch“ und eigentlich immer nur so in meine Ämter gerutscht. Ich geniesse nun die nächsten vier Jahre im Grossen Rat, danach schauen wir weiter. Momentan bin ich immer noch topmotiviert und könnte mir ein stärkeres Engagement in der SVP Aargau vorstellen.

Ist der Nationalrat für Sie ein Thema? Die Vergangenheit zeigt, dass wer seine Arbeit als Grossratspräsident gut macht, gute Chancen hat, den Sprung in den Nationalrat zu schaffen.

Eine Kandidatur als Nationalrat war für mich nie ein Thema, obwohl es natürlich ein reizvolles Amt wäre. Der Bezirk Zofingen war ausserdem mit Thomas Burgherr, Benjamin Giezendanner, Martina Bircher und neu Christian Glur eigentlich immer eher etwas übervertreten.

Was können Sie in Ihrem Präsidialjahr tun, damit sich wieder mehr junge Leute für die Politik, aber auch für Wahlen und Abstimmungen interessieren?

Letztes Jahr war die Schule Uerkheim zu Besuch im Grossen Rat. Dies hat mich sehr gefreut, ich konnte die Schulklasse auf der Tribüne besuchen und ein gemeinsames Foto machen. Dies hat mir und der Schulklasse gefallen. Genauso können wir die Jungen für die Politik interessieren, indem wir mit ihnen reden und sie ernst nehmen. Weiter müssen wir uns in der Politik wieder anständiger verhalten und miteinander umgehen, damit es den jungen Leuten nicht gerade «ablöscht».

Wenn Sie ein politisches Maskottchen wählen müssten, welches Tier würde Ihre Persönlichkeit am besten repräsentieren und warum?

Mir gefällt Sid aus Ice Age sehr gut und ich sehe einige Gemeinsamkeiten. Ice Age soll vor 20`000 Jahren gespielt haben und Sid ist ein sehr tollpatschiges Riesenfaultier, welches manchmal auch nervig sein kann. Es kann nicht gut alleine sein und braucht seine Freunde um sich herum, welche ihn oft aus misslichen, selbstverschuldeten Lagen retten müssen. Manchmal ist er nicht sehr erfolgreich aber trotzdem immer sehr liebenswürdig. Ausserdem finde ich seine deutsche Synchronstimme (Otto) genial.

Welche Superkraft wäre für einen Grossratspräsidenten am nützlichsten: Gedankenlesen, Zeitreisen oder die Fähigkeit, endlose Sitzungen zu verkürzen?

Ich bin froh, muss ich nicht alle Gedanken lesen kann und Zeitreisen erscheinen mir physikalisch unwahrscheinlich. Ich geniesse auch die fast endlosen Sitzungen und freue mich, wenn es etwas Spontanes zu diskutieren gibt. Dies ist auch der Sinn eines Parlaments. Wenn dann eine Rede einmal zu lang wird, habe ich ja immer noch Zugriff auf die Mikrofonanlage.

Wenn Sie einen Tag lang einen anderen Politiker – lebend oder historisch – verkörpern könnten, wen würden Sie wählen und was würden Sie tun?

Ich würde gerne die Neujahrsansprache für das Jahr 2000 von Bundespräsident Adolf Ogi wiederholen. Seine Ansprache für das Jahr 2000 mit dem Tannenbaum vor dem Nordportal des Lötschbergtunnels finde ich sensationell und unvergesslich. Adolf Ogi ist mit seiner bodenständigen und humorvollen Art ein Vorbild für uns alle.

Was war der ungewöhnlichste oder lustigste Moment, den Sie bisher als Politiker erlebt haben?

Eindrücklich als Gemeindeammann war die Gemeindeversammlung bei welcher es um die Fusion mit Zofingen ging. Wir hatten zu wenige Stühle in der Turnhalle, sodass die Stimmbürger auf den Seitenbänkli sassen, was für die Stimmenzähler schwierig war.
Lustig und gesellig waren auch immer die mehrtägigen Ausflüge mit den Gemeindeammännern des Bezirks Zofingen.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten einen Werbeslogan für den Kanton Aargau erstellen. Wie würde dieser lauten?

Aargau, der Kanton der schönen Regionen. Wir haben den wilden Westen, das Zurzibiet, das Fricktal, das Freiamt und sehr viele schöne Städte und Schlösser. Wir haben Berge und Seen und die sympathischsten Einwohner. Was will man noch mehr?

Gibt es ein traditionelles Schweizer Gericht, das Sie absolut nicht mögen, aber aus Höflichkeit trotzdem essen?

Ich liebe alle traditionellen Schweizer Gerichte. Ich stehe nicht besonders auf Polenta. Mir wurden bei einem Apéro auch schon Polenta-Schnitten angeboten, welche ich dann gegessen habe. So schlimm war es nun aber auch nicht.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, eine Sitzung des Grossen Rats an einem ungewöhnlichen Ort abzuhalten, wo wäre das und warum?

Natürlich in Uerkheim. Aus Platzgründen müssten wir aber noch eine Alternative vorsehen. Super würde ich die aus dem 12. Jahrhundert stammende Festung Aarburg finden. Sie wird vom Kanton Aargau in den nächsten Jahren hoffentlich zu einem Leuchtturmprojekt mit nationaler Ausstrahlung ausgebaut. Die Grossratssitzung bei der Einweihung auf der Burg Aarburg wäre sensationell.

Interview: Raphael Nadler