André Steiner: «Die Nachfrage an Autos ist momentan höher als unser Angebot»
Beim Autogrosshändler Emil Frey widerspiegeln sich gleich mehrere Pandemie-Effekte. Wir zeigen die Covid-Krise aus der Autosicht.
In guten Zeiten ist jeder verfügbare Platz in und um die Emil Frey AG in Safenwil mit Autos belegt. Ob Fiat oder Land Rover, ob Jaguar oder Volvo – aus Modellen von 18 Marken können Kundinnen und Kunden hier auswählen. In den aktuell weniger guten Zeiten ist der eine oder andere freie Platz sichtbar im Autocenter. Der Schuldige – Covid – ist schnell genannt. Etwas länger dauert es, bis Geschäftsführer André Steiner die komplexe Kausalkette vom Virus bis zu den leeren Parkplätzen erklärt hat. Denn der derzeit enger geschnallte Gürtel einiger potenzieller Autokäufer ist nur einer von mehreren von der Pandemie ausgelösten Gründen.
Längere Lieferfristen
«Die Nachfrage an Autos ist momentan höher als unser Angebot», sagt Steiner. Der Grund: Lieferengpässe. Normalerweise beträgt die Lieferfrist für einen Neuwagen zwei bis drei Monate, momentan sind dies vier bis sechs Monate. Das Problem beginnt bereits bei der Produktion, genauer gesagt, am Mangel der Halbleiter, welche vor allem in Kameras, Sensoren und Steuergeräten eingebaut sind. Seit Wochen herrscht deshalb weltweit auch Mangel an Nachschub von anderen Elektrogeräten wie Waschmaschinen oder Drucker. Und moderne Autos verfügen über ein Vielfaches an Elektronik als Modelle von vor 20 Jahren. Das Problem sei, dass nur gerade eine Handvoll Firmen weltweit solche Halbleiter herstellten, so Steiner. Nach Erkennung des Problems sind nun weitere Produktionsstätten im Aufbau, doch dauert es Monate, bis diese den ersten Mikrochip fertigen.
Jeder kriegt seine Portion Halbleiter
Die Halbleiter-Produzenten würden nun jedem Abnehmer entsprechend weniger liefern, wie Steiner sagt: «Jeder kriegt ein bisschen.» Autoproduzenten könnten also nur immer stückchenweise produzieren. Deshalb hätten die Toyota-Werke in Japan etwa zwischenzeitlich ihren ganzen Betrieb für einen Monat stillgelegt. Da die tiefere Produktion wegen Halbleitermangels das aktuell grösste Problem sei, mache es keinen grossen Unterschied, ob der Wagen in Asien oder Produktionsstätten in Süd- oder Osteuropa gefertigt werde.
Trotzdem, auch der Lieferweg ist ein Problem. So geriet durch die Pandemie die ganze Schiffslogistik durcheinander. Wird wegen Covid in manchen Ländern gerade wenig produziert, füllen sich die Schiffscontainer am entsprechenden Hafen nicht. Aktuell stauen sich leere Container in Häfen von Südamerika, der von der Pandemie am schwersten getroffene Kontinent. «Diese Container würden zwar in anderen Häfen gebraucht, um Waren zu transportieren, aber weil kein Schiff leere Container aufladen will, bleiben sie dort liegen», so Steiner.
Occasionswagen sind sehr gefragt
Das Zögern der Kunden vor grossen Ausgaben in der Krise sei auch ein Faktor, sagt der Geschäftsführer. Jedoch einer, der nur schwer messbar sei. Denn auch andere Gründe als Covid würden das Kaufverhalten beeinflussen. So seien moderne Autos von besserer Qualität und würden länger funktionieren als ältere Modelle, man brauche nicht mehr so oft wie früher ein neues Auto. Sicher ist: Die Menge an bestellten Autos ist doppelt so hoch wie im September letzten Jahres.
Momentan sei das Interesse an Occasionswagen sehr hoch, was ebenfalls mehrere Gründe habe. Einer davon ist gemäss Steiner die Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Energieform: «Noch ist für den Konsumenten nicht ganz klar, ob er auf Elektro, Hybrid oder Wasserstoff setzen oder doch nochmals ein Benzinauto kaufen soll. So entscheiden sich viele vorübergehend für einen Gebrauchtwagen.»
Den grössten Boom erlebt André Steiner bei einem Eigenprodukt: Als einziger Standort der Emil-Frey-Gruppe stellt Safenwil selber Camper her. Seit Familien covidbedingt Sommerferien in der Schweiz wiederentdeckt haben, sind die Camper begehrt wie warme Semmeln. Und der Run reisst nicht ab, wie der Chef sagt: «Wir planen bereits für das nächste Jahr.»