Buchhalterin zweigte 103’000 Franken ab
Wer den Namen der 30-jährigen, gutaussehenden Frau googelt, die letzten Donnerstag vor den Schranken des Bezirksgerichts Zofingen stand, stösst auf einen beeindruckenden Eintrag: Auf einem der grossen Businessnetzwerke bezeichnet sie sich nach wie vor als «Leiterin Finanzen & Personalwesen». Ihre Arbeitgeberin: eine in der Baubranche tätige GmbH in der Region Zofingen.
Tempi passati. Dass sie diese oder eine ähnliche Funktion jemals wieder ausüben wird, ist eher unwahrscheinlich. Sie hat ihre Arbeitgeberin um fast 103’000 Franken erleichtert und musste sich letzte Woche wegen mehrfacher Veruntreuung und Urkundenfälschung vor Gericht verantworten.
Sie hat sich schon Mal den doppelten Lohn ausbezahlt
Die Mutter von drei kleinen Kindern trat ihre Stelle beim geschädigten Unternehmen Mitte Juli 2018 an. Dort war sie unter anderem mit der Buchhaltung betraut und hatte via E-Banking uneingeschränkten Zugriff auf das Geschäftskonto der Firma. Die Anklageschrift führt 36 Positionen auf, bei denen die Angeklagte Geld auf eines ihrer Konti überwies – in keinem Fall war die Transaktion gerechtfertigt. Mal zahlte sie sich den Lohn doppelt aus, mal machte sie Überzeit geltend, für die es keine Grundlage gab.
Besonders dreist ging sie beim Fälschen von Dokumenten vor. So fabrizierte sie ein Schriftstück, das ihre Lohnerhöhung dokumentieren sollte – die Unterschrift des Geschäftsführers, der von nichts wusste, fälschte sie.
In einem anderen Fall buchte sie für sich, ihren Lebenspartner und ihre Kinder (damals waren es noch zwei) Business-Class-Flüge nach Thailand. Den Preis – 9507 Franken – liess sie vom Geschäftskonto ihres Arbeitgebers abbuchen. Eine Buchungsbestätigung fälschte sie so ab, dass darauf die Namen des Geschäftsführers und dessen Familie auftauchten. Die Reise konnte sie wegen der Pandemie nicht antreten; als das Reisebüro die Kosten erstattete, floss das Geld aber nicht auf das Geschäftskonto zurück, sondern auf eines der Konten der Angeklagten. Sie war vor Gericht geständig und kämpfte mit den Tränen: «Es tut mir von Herzen leid», sagte sie.
Der Staatsanwalt sprach von einem«immensen Vertrauensmissbrauch», die Frau habe skrupellos und durchtrieben gehandelt, und sie sei «voll schuldfähig». Allerdings kritisierte er auch das Unternehmen, das offensichtlich über kein sauberes Controlling-System verfüge.
Sie war bereits vorbestraft
Weil die Frau bereits wegen Veruntreuung vorbestraft sei, wäre eine teilbedingte Freiheitsstrafe angemessen, so der Staatsanwalt weiter. Zu berücksichtigen seien aber auch ihre Lebensumstände mit drei kleinen Kindern (Jahrgang 2018, 2019 und 2021). Im abgekürzten Verfahren forderte er eine bedingte Freiheitsstrafe mit einer Probezeit von drei Jahren. Das Gericht folgte diesem Antrag mehrheitlich. Eine Minderheit war für eine teilbedingte Freiheitsstrafe, wie Präsident Thomas Meier sagte.
Die junge Frau kann wohl von Glück reden, dass sie kein Gefängnis von innen kennenlernen muss. Einiges Glück hat sie auch angesichts der Reaktion des geschädigten Geschäftsführers. Laut Anklageschrift beträgt die Höhe der Zivilforderung 80’000 Franken. Er wisse, dass es wenig Sinn mache, die Angeklagte mit der Forderung einfach unter Druck zu setzen. Er werde ihr Gelegenheit geben, einen Teil der Forderung abzuarbeiten – zum Beispiel mit Putzen.