
«Der Abschied tut mir weh»
Beim Betreten der Gaststube im «Bären» herrscht eine eigenartige Ruhe. Der Haupteingang steht offen, nur wenige Leute sind vor Ort, bevor es in wenigen Minuten offiziell mit der Liquidation des Inventars los geht. Ein kleiner Ofen beheizt die Räumlichkeiten notdürftig, die Heizung ist defekt, seit Wochen schon. Dass auf dem Tresen ein «Blick» mit der Schlagzeile «Schluss, Aus, Ende» liegt, lässt den Betrachter nachdenklich zurück. Es habe ausserdem ein Missverständnis gegeben, erklärt Liquidator Roland Schär von der EHS Betriebs GmbH. «Offiziell startet der Verkauf heute Freitag um 14 Uhr, auf dem Schild vor dem Haus steht aber 9 Uhr, das wurde vergessen abzukleben», räumt er ein. Entsprechend seien erste Tische, Pfannen, Teller und Trinkgläser schon am Vormittag weggegangen.
Die EHS Betriebs GmbH ist spezialisiert auf Räumungen dieser Art: «Wir arbeiten mit Betreibungsämtern und Behörden zusammen, damit alles reibungslos abläuft.» Reibungslos heisst in diesem Fall, dass jeder Verkauf genau erfasst wird. Das sei wichtig, wenn es um Forderungen Dritter gehe, sagt Schär. Mit dem Verkauf der Liegenschaft selber habe er aber nichts zu tun – weder Verkäufer noch Käufer des denkmalgeschützten Hauses waren in den ersten Stunden der Liquidation vor Ort zu sehen.
Wie es mit dem Haus weiter geht, konnte vor Ort demnach nicht in Erfahrung gebracht werden. Es könnte eine Beiz bleiben, oder es entsteht eine reine Wohnliegenschaft – beim Denkmalschutz sei man da offen, heisst es. Vonseiten der Käuferschaft Invest4u war in der «Aargauer Zeitung» zu lesen, das Gebäude werde umgebaut, mehr auch nicht. Die eigenartige Ruhe ist allgegenwärtig und ist auch in den Räumlichkeiten des «Bären» geblieben, auch wenn sich die Zahl der Interessenten und Schaulustigen inzwischen vermehrfacht hat.
«Vielleicht eine Besen-Beiz»
Dem ganzen Trubel nicht entziehen kann sich die inzwischen ehemalige Wirtin des Gasthofs. Viele nennen sie einfach Uschi. Es ist ihr Hab und Gut, das heute verkauft wird. Vor fast 10 Jahren eröffnete sie zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann Roli, die bis dahin lange geschlossene Gaststätte. Sie kamen vom «Jägerstübli» in Gränichen hierher, heute blickt Uschi mit Wehmut auf die Schliessung des «Bären»: «Es tut mir weh und es geht mir nicht gut», sagt sie und sortiert mit ihrer Mitarbeiterin einige Tischtücher. Dann kümmert sie sich um die Anliegen der Besucher, begrüsst bekannte Gesichter und zapft einem treuen Stammkunden sogar ein Bier. Wie es für sie weitergeht, weiss Uschi noch nicht. Vorläufig bleibt die «Bärli-Bar» an einigen Abenden noch geöffnet, zum Leben reicht das nicht. «Mir gefiele etwas kleines, vielleicht eine Besenbeiz, nicht mehr so ein grosses Restaurant wie der Bären», sagt sie und legt die Tischtücher hin. Gelegentlich zieht sie sich zurück, es sind zu viele Emotionen.
Der Liquidator und seine Mitarbeiterinnen notieren derweil kleine und mittlere Beträge im Journal, grosse Summen kommen nicht zusammen. «Jedenfalls nicht so hohe Beträge, um die ganze Schuld tilgen zu können», bedauert Roland Schär, «aber wir versuchen das Beste daraus zu machen». Die Liquidation geht am Samstag, 22. Februar 2025 von 9-17 Uhr weiter und ist für alle Interessierten offen. Danach schliesst Uschi den Haupteingang für immer. Ob und wann er wieder aufgeht, weiss niemand. – REMO CONOCI


Bild: RC




