Die Männer mit den goldenen Handgelenken
Bruno Bolliger und Silvio Guidi waren zusammen fast 110 Jahre lang Mitglied der Tambourengruppe der Stadtmusik Aarau. Jetzt treten sie ab, durch die Hintertüre. Der Coronavirus verunmöglichte ihnen ein grosses Abschiedskonzert. Kein Problem für die weitgereisten Tambouren.
Im letzten halben Jahrhundert gab es kaum einen Anlass der Stadtmusik Aarau, an dem die Tambouren Bruno Bolliger (73, Aarau) und Silvio Guidi (70, Gränichen) nicht dabei waren. «Wir werden nicht mehr besser», sagt Bruno Bolliger mit einem Augenzwinkern. «Deshalb hängen wir die Trommel nun an den Nagel.» Die beiden Tambouren waren nicht nur fast sechs Jahrzehnte lang Musikkollegen, sondern auch privat richtig «dicke Freunde». Deshalb war es klar, dass sie gemeinsam zurücktreten. Bruno Bolliger nach 55 Jahren und Silvio Guidi nach 54 Jahren in der Stadtmusik.
Lange Haare und weisse Socken
Bruno Bolliger und Silvio Guidi trafen erstmals in der Kadettenmusik aufeinander. Im Anschluss an diese vier Jahre traten sie kurz darauf der Stadtmusik Aarau bei. «Wir jungen Wilden mit langen Haaren und weissen Socken waren nicht bei allen Herren der Stadtmusik gern gesehen», blickt Silvio Guidi zurück. «Mit einigen von ihnen waren wir auch nie per Du.» Am Können der beiden kann es nicht gelegen haben, wohl eher an den Episoden nach den Proben und Konzerten …
Unter der Leitung des legendären Aarauer Tamboureninstruktors Walter Brogli entwickelte sich die frischgegründete Gruppe prächtig. In den besten Zeiten gehörten dem Corps zehn Tambouren an. Während Silvio Guidi in seiner spärlichen Freizeit zu Hause ab und zu auch Akkordeon spielte, war Bruno Bolliger während mehreren Jahren als Schlagzeuger mit dem Tanzorchester «The Bachelors» unterwegs.
Zurück an der «richtigen» Trommel, leitete er nebst der Stadtmusik auch noch für einige Jahre die Tambourengruppen von Gränichen und Unterentfelden. Silvio Guidi übernahm seinerseits Aufgaben im Vorstand der Stadtmusik. Die «Enfants terribles» der Anfangszeiten, hatten sich zu wichtigen Stützen des Vereins entwickelt.
Das Duo war nicht nur privat und gemeinsam mit ihren Frauen viel auf Reisen, sondern auch mit der Stadtmusik. «Etwas vom Eindrücklichsten war sicherlich die Teilnahme am Umzug des Oktoberfests 1982 in München mit über 100’000 Zuschauern», sagen beide übereinstimmend. «Oder die Weltausstellung in Hannover, oder das internationale Folklorefest mit grosser Rasenshow in Dijon, oder 1966 eine fünftägige Musikreise nach Wien, oder die Mitwirkung an diversen Winzerfesten, oder …» Ihre Aufzählungen von Musikfesten, Umzügen oder Auftritten jeglicher Art, aber auch den dazugehörenden Anekdoten, würden Bücher füllen.
Von der Tambouren- zur Percussionsgruppe
«Unser Spiel und die Stücke haben sich über die Jahre stark gewandelt», sagt Silvio Guidi. «Wir wurden von einer reinen Tambourenzu einer Percussionsgruppe mit mehrstimmigen Rhythmusstücken im Repertoire. » Und alles auswendig gespielt. «Das gehört sich so bei den Tambouren», betont Bruno Bolliger. Er rechnet kurz nach. «In unserer gemeinsamen Zeit bei der Stadtmusik haben wir gegen 200 Stücke auswendig gelernt und gespielt.»
Kantonale Ehrenveteranen
In ihrer langen Tambourenzeit bei der Stadtmusik wechselten sie nur zweimal die Trommeln, erlebten drei Neuuniformierungen, sieben Dirigenten und acht Präsidentinnen und Präsidenten. Zu den Meilensteinen ihrer Vereinszugehörigkeit gehören neben den Auftritten an Eidgenössischen Musikfesten sicherlich auch das 150-Jahr-Jubiläum der Stadtmusik und die Ernennung der beiden zu Eidgenössischen Musik-Veteranen (35 Jahre) in den Jahren 1997/1998 und zu Kantonalen Ehrenveteranen (50 Jahre) im Jahr 2012. Am Galakonzert der Stadtmusik vom 28. März 2020 im KUK hätten die beiden Urgesteine der Aarauer Tambourenszene gebührend verabschiedet werden sollen. Nun hat der Coronavirus allen einen Strich durch die Rechnung gemacht. «Eine höhere Macht hat uns zum Aufhören gezwungen», scherzt Bruno Bolliger zum Schluss. Ob sich das die beiden nach so vielen Jahren einfach so gefallen lassen?