Immobilien-Ratgeber: Einfriedungen und Nachbarn
Grundstücksgrenzen sind häufig durch Einfriedungen «markiert». Sie verringern die Einsicht oder sonstige störende Einwirkungen und ermöglichen den Zugang auf ein Grundstück. In verschiedenen Fällen können insbesondere Bepflanzungen, mit welchen die vorgenannten Bedürfnisse der EigentümerInnen sichergestellt werden sollen, aber Anlass zu Diskussionen mit den Nachbarn geben. Es ist daher vor der Wahl und dem Pflanzen von Büschen, Hecken oder Bäumen sowie dem Erstellen von baulichen Anlagen darauf zu achten, dass die Grundlagen des Nachbarschaftsrechts weder direkt (schon bei der Pflanzung oder Erstellung) noch indirekt (durch Wachstum der Pflanzen oder den Zustand von baulichen Anlagen) verletzt werden. Bei diesen Punkten im Bereich des Nachbarschaftsrechts kommt häufig das Problem dazu, dass gerade bei indirekten Verletzungen (durch Wachstum der Pflanzen oder die Verschlechterung des Zustandes von baulichen Anlagen) die betroffenen Parteien häufig die Situation zwar wahrnehmen, aber nicht sofort darauf reagieren. So stellt sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt und der Art und Weise einer Intervention. Zuerst aber einige Hinweise zu den rechtlichen Grundlagen. Bei Bauten oder Bepflanzungen, welche auf der Grenze liegen, ist, soweit keine entsprechenden «Vereinbarungen» getroffen wurden, von Miteigentum auszugehen. Die Parteien partizipieren an Pflege-, Unterhalts- und Instandsetzungsmassnahmen nach dem Grad ihres Interesses oder zu gleichen Teilen. Für Einfriedungen, welche «an» die Grenze gepflanzt oder gebaut werden, gelten verschiedene Vorschriften betreffend deren Höhe und die erforderlichen Abstände zur Grundstücksgrenze (Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch [ZGB], 2017). Werden diese Vorschriften nicht eingehalten oder überragen Äste und Wurzeln die Grenze oder haben generell (z. B. durch Schattenwurf) Beeinträchtigungen auf dem Nachbargrundstück zur Folge, müssten Pflanzen oder bauliche Anlagen entfernt oder zurückgeschnitten werden.
Verursachen Hecken, Büsche oder Bäume, welche die erforderlichen Massvorschriften einhalten, aufgrund «vernachlässigter» Pflege auf dem Nachbargrundstück störende Beeinträchtigungen, so steht der betroffenen Partei ein Kapprecht (Art. 687 Abs. 1 ZGB) zu. Vor dessen Anwendung müssen jedoch einige Punkte erfüllt sein. Die Inanspruchnahme dieses Rechts erfordert eine massgebliche Beeinträchtigung durch die überragenden Äste oder die eindringenden Wurzeln. Zu beurteilen ist dabei immer der konkrete Einzelfall. Liegt eine solche Beeinträchtigung vor, darf die «geschädigte» Partei die Äste oder Wurzeln bis zur Grundstücksgrenze hin «kappen». Bevor vom Kapprecht Gebrauch gemacht werden darf, muss der/die PflanzeneigentümerIn jedoch schriftlich gemahnt werden. Dazu ist ihr eine angemessene Frist für die Behebung des «rechtswidrigen» Zustandes anzusetzen. Es ist wichtig, dass ein klar bestimmbarer Termin festgesetzt wird und darauf verwiesen wird, dass nach Ablauf der Frist das Kapprecht in Anspruch genommen wird. Bei der Fristansetzung ist auf die Wachstumszeit der Pflanzen Rücksicht zu nehmen. Die Pflanze soll durch den «nachgeholten» Pflegeschnitt nicht geschädigt werden. Erst nach Einhaltung dieser Schritte sowie nach Ablauf der erhobenen Frist kann die beeinträchtigte Partei den Rückschnitt selber durch¬führen oder durchführen lassen. Das Schnittmaterial geht in den Besitz des/der Schneidenden über. Mutet sich die beeinträchtigte Partei den Schnitt nicht selber zu oder will sie die Kosten dafür nicht tragen, so müsste sie eine Klage zur Beseitigung der übermässigen Störung einreichen. Dazu ist beim zuständigen Friedensrichteramt eine Eigentumsfreiheitsklage (Art. 641 ZGB) einzureichen. Auch dieser Schritt ist mit Kosten verbunden, welche die geschädigte Partei min. als Vorschuss zu leisten hat.
Fazit: Vor allem grenznahe Pflanzen können direkt oder indirekt zu störenden Einwirkungen auf das Nachbargrundstück führen. Häufig entstehen solche Beeinträchtigungen über eine längere Zeitspanne und fallen nicht sofort auf. In jedem Fall sollte vor der Erhebung von schriftlichen oder gar rechtlichen Schritten das direkte Gespräch und eine gütliche Einigung gesucht werden.
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