Kompliziert
Vor ein paar Tagen ist die Welt etwas komplizierter geworden. Nein, nicht wegen Herrn Trump. Über den regen wir uns während der Tagesschau vielleicht auf, aber spätestens wenn der Gaudenz Flury vom Meteo-Dach her «en hübsche Obig» wünscht, ist die Welt wieder in Ordnung.
Nein, es ist noch viel komplizierter. Kürzlich habe ich irrtümlicherweise beschlossen, mit dem Auto nach Aarau zu fahren. Um 17 Uhr sollte ich in der Igelweid einen alten Freund abholen, der schlecht zu Fuss ist. Zu spät erinnerte ich mich daran, dass um diese Zeit jeweils eine motorisierte Völkerwanderung stattfindet und das Dosiersystem am Distelberg auf «Du kommst hier nicht rein» eingestellt ist. Im Stau stehend stelle ich fest, dass die WSB im Viertelstundentakt nach Aarau fährt. Als ich endlich den Turbinen-Kreisel erreiche, tappe ich in die nächste Falle. Anstatt rechts abzubiegen und den schnelleren Weg via Gais – Erlinsbach – Olten – Flughafen Basel – Schönenwerd in die Aarauer Altstadt zu nehmen, entscheide ich mich für den kürzeren Weg, geradeaus. Ich weiss, die Aarauer krümmen sich jetzt vor Lachen, aber ich entscheide erneut falsch und biege in die Bahnhofstrasse ab, wo sich aus Sicht eines Landeis ein etwa 600 Meter langer Fussgängerstreifen befindet.
18 Uhr. Mein Freund erkundigt sich, wo ich bleibe. Da ich inzwischen allen Blumentöpfen ausgewichen bin, vermelde ich: «In der Lauränzi» und wollte gerade in die Kasinostrasse abbiegen, als mir ein neues Schild genau das untersagt. Durch die Altstadt geht auch nicht, auf dem Schlossplatz werde ich von prüfenden Blicken verjagt und umdrehen will ich auch nicht. Es bleibt mir also nur, trotzdem in die Kasinostrasse abzubiegen und 100 Meter vor der Igelweid in das Parking zu fahren und 100 Meter nach dem eigentlichen Ziel auf der anderen Seite wieder hinauszufahren. Jetzt darf ich aber nur rechts abbiegen, fahre deshalb durch die Vordere Vorstadt und lande via Graben wieder beim Schlossplatz, wo das Rösslispiel von vorne beginnt. Ich bin gefangen, auf einem nie endenden Pfad, gepflastert mit roten und gelben Sperrflächen.
Die Turmuhr schlug zur siebten Stunde. Kurz bevor mir die Aarauer aus Mitleid Nahrung durchs Fenster warfen, fand ich einen Weg aus dem farbigen Blumenkisten-Dschungel, brachte meinen Freund nach Hause und es reichte uns gerade noch auf das Grusswort vom Meteo-Dach: «En höbsche Obe.» Die Welt war wieder in Ordnung.
Remo Conoci, Redaktor «Landanzeiger»