Nun liegt es an den Ortsbürgern
Heute bilden elf Gemeinden im oberen Suhrental drei Forstreviere. Weil alle drei zuständigen Förster bis 2025 in Pension gehen, sollen die drei Reviere zusammengelegt und von zwei Förstern geführt werden. Ein entsprechendes Projekt hat eine hochkarätige Arbeitsgruppe drei Jahre lang erarbeitet. Nun müssen die Ortsbürger als Waldbesitzer im Sommer an ihren jeweiligen Gemeindeversammlungen über die Gründung entscheiden.
Selten wird die Meinung der Ortsbürger wichtiger sein als in diesem Sommer. Denn über den neuen Forstbetrieb werden sie entscheiden und nicht etwa die Einwohnergemeindeversammlung. Grund dafür ist, dass der Wald im Besitz der Ortsbürger ist.
Mit der Gründung des Forstbetriebes Suhrental Ruedertal würde einer der grössten und modernsten Betriebe im Aargau entstehen. Dieser ersetzt die heutigen Forstbetriebe Muhen-Hirschthal-Holziken, den Forstbetrieb Oberes Suhrental und den Forstbetrieb Leerau-Rued. Deren aktuelle Förster gehen die nächsten vier Jahre in Pension; der Reihe nach Martin Leu (Förster Oberes Suhrental, Pension 2021), Urs Gsell (Förster Muhen-Hirschthal-Holziken, Pension 2024) und Daniel Zehnder (Leerau-Rued, Pension 2025).
Drei Jahre lang war eine Arbeitsgruppe (AG) im Einsatz. Sie erarbeitete das Projekt sowie eine Botschaft an die Gemeinden. Vergangene Woche hat die AG über die Details und die Strategie des neu entstehenden Forstbetriebs Suhrental Ruedertal im Waldhaus Muhen informiert.
Die achtköpfige Arbeitsgruppe bestand aus den drei Präsidenten der heutigen Forstbetrieben, den drei aktuellen Förstern, dem Projektverfasser Theo Kern, Geschäftsführer von «WaldAargau» und dem Projektleiter Christoph Fischer, ehemaliger Aarauer Stadtoberförster und heutiger Moosleerauer Gemeinderat.
1 Gemeinde – 1 Stimme
«Wir hoffen, dass das Projekt zum fliegen kommt», wünscht sich Christoph Fischer bei der Präsentation vergangene Woche. «Unsere Idee kam bei den Gemeinden sehr gut an.» Ausser in Schmiedrued, gilt es zu vermerken. Sie hat sich früh für eine eigene Lösung entschieden, ein privates Forstunternehmen aus dem Kanton Luzern beauftragt und ist aus dem Forstbetrieb Leerau-Rued ausgetreten.
Bleiben also zehn Gemeinden. Für Christoph Fischer ist wichtig: «Mit dem neuen Forstbetrieb bleiben die Arbeitsplätze und Lehrstellen in den Gemeinden erhalten». Auch bei der Finanzierung ändert sich nicht viel. Neu ist einzig der Schlüssel, nach welchem der Sockelbeitrag berechnet wird, den jede beteiligte Gemeinde nach wie vor jährlich einzahlen wird. Neu wird dafür nicht mehr nur die Wald-Hektarenzahl, sondern nun auch die Einwohnerzahl berücksichtigt. Zum Start zahlen die Ortsbürger der beteiligten Gemeinden für den Eigenkapitalbedarf einmalig 620’000 Franken ein.
Eine weitere Frage, die sich die Arbeitsgruppe stellte, war: Wer hat wieviele Stimmen? Soll Schöftland mit über 4400 Einwohnern deutlich mehr Stimmen haben als beispielsweise Wiliberg mit seinen rund 170 Einwohnern. «Wir haben uns entschieden für die Losung: eine Gemeinde – eine Stimme», erklärt der Projektleiter. Der neue Forstbetrieb Suhrental Rudertal ist gegründet, wenn die zustimmenden Gemeinden mindestens 80 Prozent der Einwohner aller zehn Gemeinden repräsentieren. Dann eilt es und die Gemeinde-Delegierten müssen beispielsweise Personal- und PK-Reglemente erarbeiten, damit der Start am 1. Januar 2022 erfolgen kann.
Viel Goodwill aus den Gemeinden
Schlossrueds Vizeammann und Präsident des heutigen Forstbetriebes Leerau-Rued, Gotthold Müller, blickt zurück: «Vor fünfzig Jahren hatte jede Gemeinde noch einen Förster und die Bauern kümmerten sich um die Holzerei. 1998 schlossen sich die beiden Leerauer und die beiden Ruedertaler Forste zusammen. Heute sind Forstbetriebe moderne Wirtschaftsunternehmen. Da macht es Sinn, wenn sich ein noch grösserer Kreis zusammenschliesst, ich stehe voll und ganz dahinter!»
Gertrud Jost, Muhens Frau Vizeammann und Präsidentin des Forstbetriebes Muhen-Hirschthal-Holziken, betont, dass die Idee zu diesem Projekt aus den beteiligten Gemeinden selber stamme. Auch sie sieht viele Vorteile: «Eine grössere Betriebsstruktur bietet mehr Flexibilität und was für uns sehr wichtig ist: die Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze bleiben unserer Gemeinde erhalten.»
Schöftlands Gemeinderätin und Präsidentin des Forstbetriebs Oberes Suhrental, Gertrud Müller, sieht den Wald als Naherholungsgebiet, das gerade in Zeiten wie diesen sehr beliebt ist. «Der Wald hat sich zu einem Freizeitpark entwickelt, gerade zu Coronazeiten sind so viele Menschen im Wald unterwegs, wie noch nie.» Sie lobt die gute Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe und steht ebenfalls hinter dem Projekt.
Neu: 1888 Hektaren Wald
Förster Urs Gsell schliesslich nannte konkrete Zahlen: Der neue Forstbetrieb bietet sieben Forstarbeitsplätze, er wird in den zehn Gemeinden mit 17’000 Einwohnern 1888 Hektaren Wald umfassen. Gsell freut sich, dass das gesamte heutige Forstpersonal vom neuen Forstbetrieb übernommen wird, ebenso die Lernenden. Was die Förster angeht: Martin Leu geht in Pension, Urs Gsell und Daniel Zehnder werden beim Start des Forstbetriebes die beiden Förster sein – bis zu ihrer jeweiligen Pensionierung.
«Unsere Branche ist enorm im Wandel», erklärt er und meint damit nicht nur die fallenden Holzpreise. Wirtschaft, Naturschutz und vor allem der Klimawandel haben grossen Einfluss auf den Wald. «Der Holzbau boomt, wie aktuelle Bauten wie das neue Schulhaus in Schöftland zeigen.» Das heisst für Förster wie Urs Gsell und seine Kollegen, dass die Forstbetriebe in Zukunft vermehrt auf Qualitätsholz setzen, statt auf Massenware.
Wie geht es weiter?
Die Zeit bis zu den Abstimmungen im Sommer wird von den Gemeinden genutzt, um die Bevölkerung zu informieren und vom Projekt zu überzeugen. So ist für Mittwoch, 5. Mai in Muhen eine Infoveranstaltungen für die Ortsbürger von Muhen, Hirschthal und Holziken geplant.
Auf der letzten Folie, die Förster Urs Gsell im Waldhaus Muhen präsentierte, stand der Slogan: «WALD: Wir Alle Leben Davon».