Rico Peter: «Wir sind auch gegen die Deutschen nicht chancenlos»
Bobbahnen gibt es nicht viele, in der Schweiz beispielsweise nur jene in St. Moritz, die aber eine Natur-Anlage ist, jeden Winter wieder neu aufgebaut werden muss und erst um Weihnachten in Betrieb genommen wird. Und so hält sich Rico Peter bereits seit einer Woche in La Plagne in Frankreich auf, wo auf der vollständig überdeckten Bobbahn am nächsten Wochenende die ersten Weltcup-Rennen der Saison auf europäischem Boden stattfinden. Die Saison hat für den Spartenchef Bob des Schweizer Verbandes und die Fahrer aber bereits im November begonnen, mit Rennen im weit entfernten China, auf der Bahn in Yanqing, wo auch im Februar 2022 um olympische Medaillen gekämpft wurde. Mit einem ersten Erfolg. Michael Vogt und Sandro Michel fuhren im Zweier auf den dritten Platz.
Es stand ausser Frage, dass die Schweizer die Rennen in Fernost bestreiten würden. «Die Athleten fahren gerne dort, die Bedingungen sind top, und jeder Weltcup ist wichtig», sagt der Kölliker. Nicht alle Nationen sahen das allerdings so, bei den Frauen wollten nur sechs Bobs an den Start gehen, so dass die Konkurrenz abgesagt wurde und Melanie Hasler erst in La Plagne in die Saison starten kann. Dafür durfte dann neben den Teams von Michael Vogt und Sandro Friedli auch jenes von Cedric Follador in China fahren. Beim Materialtransport musste darauf geachtet werden, dass alles sauber deklariert wurde, bis ins kleinste Detail. «Die Chinesen sind am Zoll extrem pingelig. Wenn da etwas dabei ist, das nicht aufgeführt ist, konfiszieren sie es», erzählt Peter. In Yanqing fehlte nichts, jedoch nach der Rückreise. «Die Kaffeemaschine war nicht mehr da, obwohl wir sie auf der Liste aufgeführt hatten.»
Vogt und Hasler Kandidaten für ganz vordere Plätze
Für die kommende Saison traut Peter den Teams von Michael Vogt und Melanie Hasler im Zweier viel zu: «Die Deutschen sind noch vor uns, aber ich erachte es nicht für unmöglich, dass wir sie auch einmal bezwingen können.» Dies auch wegen eines laufenden Projekts in Sachen Materialoptimierung, an dem Spezialisten von Swiss Sliding in Zusammenarbeit mit dem Partner Stadler Rail beteiligt sind. Sandro Friedli weise gute Startzeiten auf, es bestünden aber noch Fragezeichen beim Material. Und Cedric Follador sei ein guter Viererpilot, im Zweier bestehe noch Verbesserungspotenzial bei den Startzeiten.
Apropos Startzeiten: Dafür braucht es auch gute Anschieber. Diese zu gewinnen, ist nicht ganz einfach. Peter hat als Spartenchef auch die langfristige Entwicklung im Auge und ortet Verbesserungsbedarf im athletischen Bereich. In Zusammenarbeit mit Leichtathletik-Vereinen sollen vermehrt für den Bobsport geeignete Athleten gewonnen werden. In den nächsten Monaten liegt der Fokus von Peter aber auf der aktuellen Saison, die eine Europameisterschaft beinhaltet, die auf zwei Standorte gesplittet ist. Da in Sigulda (Lettland) nur mit dem Zweier gefahren werden kann, findet die EM im Vierer bereits nächste Woche in Igls (Österreich) statt. Ende Februar steht die WM in Winterberg auf dem Programm. «Die Deutschen haben natürlich einen Vorteil, weil sie oft dort fahren», sagt Peter. «Aber wir sind nicht chancenlos.»
Für Materialtests selbst am Steuer
Peter hat 2018 seine Karriere beendet, er gewann mit dem Zweier EM-Silber 2014 und EM-Bronze 2015 sowie WM-Bronze 2016 mit dem Vierer. Selbst rennmässig zu fahren, reizt ihn nicht mehr. «Ich fahre immer noch gerne Bob, es juckt mich schon. Für Materialtests etwa setze ich mich immer noch gerne ans Steuer», sagt er. «Mit voller Geschwindigkeit ein Rennen zu bestreiten wäre aber etwas anderes, dafür wäre ich athletisch auch nicht mehr genügend bereit.» Umso mehr ist er mit Leidenschaft Trainer, mit dem mittelfristigen Fokus auf die Olympischen Spiele 2026 in Italien, wo immer noch nicht bekannt ist, wo gefahren wird, ob in St. Moritz, Igls oder doch auf einer neuen Bahn in Italien. Reto Pfister