Sicherheit im Aargau trotz Zunahme von Cybercrime und Vermögensdelikten hoch
«Die Strafverfolgungsbehörden haben im vergangenen Jahr trotz verschiedener Herausforderungen und knapper werdender Ressourcen einen beeindruckenden Einsatz geleistet», sagt Landstatthalter Dieter Egli (SP), Vorsteher Departement Volkswirtschaft und Inneres an der Jahresmedienkonferenz «Sicherheit Aargau 2023». Die Gewährleistung der Sicherheit sei eine Kernaufgabe des Staates. Der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Jugendanwaltschaft sei es zu verdanken, dass Gesetze eingehalten und Verbrecher zur Rechenschaft gezogen würden. «Sie sorgen für Rechtssicherheit in unserem demokratischen System – und damit für Stabilität und Wohlstand», so Egli weiter.
Die Sicherheitslage und damit auch die Arbeit der Sicherheitskräfte im Aargau werden zunehmend von externen Faktoren beeinflusst, die der Kanton nicht direkt steuern kann. Megatrends wie Globalisierung und Digitalisierung führen zu neuen Kriminalitätsformen wie Cyberkriminalität, die keine klassischen Grenzen mehr kennen. Darüber hinaus wirken sich auch geopolitische Konflikte wie der Angriffskrieg in der Ukraine und Konflikte im Nahen Osten sowie Migrationsbewegungen auf die Sicherheitslage im Kanton aus. Auch die Individualisierung in der Gesellschaft, die Etablierung der 24-Stunden-Gesellschaft und die zunehmende Mobilität beeinflussen die Arbeit der Strafverfolgung.
Einbruchsdiebstähle, vermehrte Hotspots und Szenenbildung verunsichern
So haben beispielsweise die Vermögensdelikte stark zugenommen – die Fahrzeugdelikte haben sich seit 2019 gar verachtfacht. «Wir befinden uns in einer veritablen Kriminalitätswelle im Bereich der Vermögensdelikte. Bei der Täterschaft, die Diebstähle aus Fahrzeugen verübt, handelt es sich oft um junge Männer aus Maghrebstaaten, die in Asylunterkünften inner- und ausserhalb des Kantons wohnen», stellt Kommandant Michael Leupold fest. Es werden gezielt Patrouillen eingesetzt, um einerseits präventiv zu wirken, und anderseits, um bereits begangene Delikte zeitnah klären zu können.
Vor allem an Bahnhöfen wie Aarau und Brugg sowie in Innenstädten haben sich im letzten Jahr sogenannte Hotspots gebildet – Treffpunkte, an denen Drogen gedealt und konsumiert werden, an denen sich Asylsuchende treffen und Randständige aufhalten. «Die Bevölkerung rechnet bei solchen Szenen mit erhöhter Kriminalität, was sich negativ auf das Sicherheitsgefühl auswirkt», sagt Leupold. Um solche Brennpunkte zu bekämpfen, sei es wichtig, die Kontrollen zu verstärken, was auch mehr Ressourcen erfordere, so Leupold weiter. Dazu sei vernetzte Polizeiarbeit und Schwerpunktsetzung zwingend notwendig.
Eine Herausforderung stellt auch die Strukturkriminalität dar. Im Aargau gibt es eine grosse Anzahl an Lokalen und Betrieben, bei denen die Polizei immer wieder Missstände, wie zum Beispiel Menschenhandel, Betäubungsmittelwiderhandlungen, ausländerrechtliche Widerhandlungen oder illegales Geldspiel feststellt. „Diesem Phänomen begegnen wir mit präventiven Kontrollen und mit behördenübergreifender Zusammenarbeit“, sagt Leupold. Denn der Schaden für den Staat sei beträchtlich.
Stabile Lage bei Verkehrssicherheit, alle Tötungsdelikte aufgeklärt
Cyberdelikte sind weiterhin ein Kriminalitätstreiber. Die Bearbeitung wird stetig komplexer. Im Jahr 2023 sind Telefonbetrugsfälle um rund 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Der Deliktsbetrag hat dabei um circa 50 Prozent auf rund zwei Millionen Franken zugenommen. Mehrere grosse Verfahren von Kinderpornografie zeigen den zunehmend internationalen Bezug.
Die Verkehrssicherheit im Kanton Aargau ist weiterhin hoch. Dennoch betont Kommandant Michael Leupold, dass vor allem Unfälle mit Fussgängern, E-Bikes und Trendfahrzeugen markant zugenommen hätten.
Dank guter Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft konnten alle der 19 Tötungsdelikte – 4 vollendete und 15 versuchte – aufgeklärt werden.
Verfahrensdauer bei der Staatsanwaltschaft hat zugenommen
Allein 35’000 Strafbefehle hat die Staatsanwaltschaft Aargau im vergangenen Jahr ausgestellt. Die Dauer der Verfahren hat allgemein zugenommen. «Das ist auch darauf zurückzuführen, dass die Anzahl der Verfahren, die mit einer Anklage erledigt werden müssen, deutlich gestiegen ist», hält Philipp Umbricht, Leiter Oberstaatsanwaltschaft fest. Weiter machen die gesetzlichen Vorgaben bei Landesverweisen und Tätigkeitsverboten bereits bei geringfügigen und mittleren Delikten eine Anklage-Erhebung vor Gericht notwendig und führen so ebenfalls zu einem grösseren Aufwand.
«Die Fallzahlen haben auch bei der Jugendanwaltschaft gegenüber dem Vorjahr beträchtlich zugenommen, auch werden die beschuldigten Jugendlichen jünger», sagt Beatriz Gil Fernandez, Leiterin Jugendanwaltschaft. Gerade in den Bereichen Körperverletzungen und Cyberkriminalität ist ein Anstieg zu vermerken. Die Jugendanwaltschaft hat erneut mehr Zwangsmittel angeordnet. Die Anordnung vorsorglich stationärer Massnahmen verharrt dagegen auf dem Vorjahresniveau. AG