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Von Papier zu Seide: Die 200 Jahre alten Fabrikgebäude am Fischbach

Am oberen Dorfausgang von Küttigen schlängelt sich der Fischbach durch die malerischen Gebirgsketten des Juras. Dieser Fluss hat nicht nur eine landschaftliche Schönheit geprägt, sondern auch eine bedeutende industrielle Geschichte. Seit dem Mittelalter diente sein Wasser zur Ansiedlung von Siedlungen und später zur Energiegewinnung für verschiedene Fabriken. Heute erinnern die über 200 Jahre alten Fabrikgebäude entlang des Fischbachs an eine vergangene Ära industrieller Nutzung, während der Bach selbst weiterhin durch Küttigen fliesst.

Am oberen Dorfausgang von Küttigen durchquert der Fischbach die Gebirgsketten des Juras. Er zwängt sich durch die enge Benkerklus, ein bilderbuchhaftes Durchbruchstal. Sein Wasser gab bereits im Mittelalter Anlass zur Gründung von Siedlungen, etwa des alemannischen Weilers «Riedwil», nach welchem später der Gipssteinbruch «Riepel» benannt wurde.

Eine komplett neue Aufgabe fiel dem Fischbach 1824 zu, als Heinrich Remigius Sauerländer unmittelbar unterhalb der Klus eine Papierfabrik eröffnete. Das Bachwasser wurde fortan zu industriellen Zwecken genutzt, indem es via Wasserrad eine Mühle und eine Stampfe antrieb. Anschliessend wurde der Zellstoff in grossen Bädern bzw. Schlämmtrögen aus den Holzfasern herausgelöst. Die Zellulose bildete neben recycliertem Leinenstoff den Rohstoff für die Papierherstellung. Der mit Knochenleim durchsetzte Zellstoffbrei wurde durch eine Walze geschoben und anschliessend mit einer Presse geglättet. Bei der Fabrik zweigte ein Kanal vom bestehenden Bach ab, floss der Benkenstrasse entlang und trieb weitere Wasserräder von Mühlen und Weintrotten in Küttigen an.

Die sogenannte «Fabrik» wurde um 1900 mit einem neuen riesigen Wasserrad ausgestattet (Foto). Zu diesem Zweck erstellte man dem Taleinschnitt entlang eine rund 80 cm dicke Rohrleitung, die heute noch teilweise vorhanden ist. Sie führte das Wasser des Fischbachs schliesslich in einem Kännel hoch über der Benkenstrasse dem Wasserrad zu. Im Bild erkennt man die mächtigen Säulen aus Naturstein, welche den Aquädukt stützten. Links hinten steht das Kosthaus, ein herrschaftliches Wohnhaus, das auch eine Kantine für das Personal enthielt.

Sauerländer stellte bis 1844 Papierbogen und Tapeten her. Sein Schwiegersohn Friedrich Frey-Sauerländer wandelte die Anlage 1851 in eine Seidenfabrik um. Als Zwirnerei wurde sie auch noch von einem Enkel weitergeführt, Arnold Frey-Rhyner. 1899 kauften dann aber die Gebrüder Näf aus Kappel am Albis die Fabrik und produzierten Seidengarn bis 1965. Seither sind die Maschinen entfernt worden und in den Räumlichkeiten hat die GEMIWO einige Loft Wohnungen eingerichtet. Der Kanal zweigt hingegen immer noch vom Fischbach ab. Er verläuft aber nicht als offenes Fliessgewässer, sondern komplett eingedolt bis zum Dorfzentrum von Küttigen. Nun bezeichnet man ihn als Mühlebach, aber auch hier hat er längst aufgehört, das Wasserrad der Alten Mühle anzutreiben. Kurt Graf